Sigurd W. (Flugzeugbauer)
Dr. Werner Dünzer (Pilot, Zahnarzt)

SIGURD W., geb. 1921 in Berlin, arbeitete im Werk seit 1936, im Oktober 1940 beendete er die Lehre als Metallflugzeugbauer, als Spezialarbeiter war er vom Wehrdienst freigestellt. Er wohnte in Berlin-Kreuzberg, Lindenstraße 107, mit seiner Schwester zusammen.

Dr. WERNER DÜNZER, geb. am 17.10.1907 in Rossbach, Krs. Sieg, hatte in seiner Jugend Flugzeugbau gelernt und 1935/36 bei Reserveübungen der Wehrmacht als Flieger gearbeitet. Bei Kriegsbeginn am 1.9.1939 wurde er zur Luftwaffe eingezogen, ab 1940 als Einflieger bei Focke-Wulf. Er wohnte in Berlin-Johannisthal, Waiblingerweg 1 bei Ohorn.

Lageplan Flugplatz Johannisthal

Lageplan Flugplatz Johannisthal um 1938. Am westlich gelegenen Segelfliegerdamm ist das Flugzeugwerk Focke-Wulf erkennbar. Foto: Handcollage mit FW 190, Plan: Histomap

Die kurze Liebesbeziehung zwischen dem 20jährigen Sigurd W. und dem 34jährigen Werner Dünzer begann Anfang 1941 im Flugzeugwerk Johannisthal am Segelfliegerdamm. W. wollte einen Verbesserungsvorschlag für die Fertigung als Patent anmelden und wandte sich an Dünzer als erfahrenen Fachmann. Er bewunderte ihn als erprobten Einflieger der Focke-Wulf-Jagdflugzeuge und Sturzkampfbomber und war froh über die enge Zusammenarbeit. Sie trafen sich oft zum ernsten Gespräch in der Kantine, gingen auch mal ins Kino „Astra“ oder zu „Senftleben“ ins Café. Am 7. April 1941 hatte Dünzer einen Flugunfall mit schweren Folgen. Nach einer Schädel-Operation in der Charité lag er lange Monate im St. Elisabethstift in Berlin-Westend. Sigurd besuchte den Freund, und da ein Bett im Zimmer frei war, blieb er gern über Nacht.

Die Liaison blieb im Flugzeugwerk nicht unbemerkt. Der Betriebsobmann Hans Blum erstattete Anzeige bei der Kriminalpolizei. Am 24. Januar 1942 wurde Dünzer vom Landgericht Berlin wegen Vergehens gegen den § 175 StGB zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Bei W. sah das Gericht wegen seiner jugendlichen Unerfahrenheit von Strafe ab.

Arbeitsbescheinigung Flugzeugwerk Johannisthal

Arbeitsbescheinigung Flugzeugwerk Johannisthal vom 22. Januar 1941 für Dr. Werner Dünzer. Dokument: Landesarchiv Berlin

Werner Dünzer geriet, fast gleichzeitig, in zwei weitere Strafverfahren gegen Homosexuelle. Er blieb bis 1943 im Gefängnis Tegel in Haft, und es wurde gefährlich. Die Kripo hatte mit Vorbeugungshaft (KZ) gedroht. Dünzers Freunde und sein Anwalt suchten nach einem kriegswichtigen Einsatz als vorzeitigen Entlassungsgrund, aber erst der Antrag von Erna Schott auf Hafturlaub für eine vermeintliche Eheschließung gelang. Dünzer flüchtete Anfang September 1943 in die Schweiz.

Bis Kriegsende lebte er in Zürich, wahrscheinlich bei der Familie seines Freundes Johannes Schmid. Die beiden Männer kannten sich seit 1938, als Dünzer am Kurfürstendamm 184 kurzzeitig eine Zahnarztpraxis hatte, Schmid als Opernsänger arbeitete und mit seinem Zahnarztstudium begann.

In der Nachkriegszeit wurde Werner Dünzer in Deutschland nach § 175 weiter verfolgt. 1963 hatte er in Köln ein Berufsgerichtsverfahren zur Aberkennung seiner Approbation als Dr. med. dent..

Text: Carola Gerlach

Quellen

LAB A Rep. 358-02, Nr. 104089 , 1 Ju KMs 35/41, ./. Dünzer u.a. wegen § 175 StGB
LAB A Rep. 358-02, Nr. 107951-107958, 2 Ju KLs 96/41, ./. Pater u.a.